Skandalöse Diffamierung von Naziverfolgten durch Verfassungsschutz und Innenministerium

3. Juni 2011

Wer helfen will: Protestschreiben an das Bayerische Innenministerium und den Ministerpräsidenten Protestschreiben an die örtlichen Landtagsabgeordneten Mitmachen bei örtlichen und regionalen Aktivitäten gegen Neonazis! Mitglied bei der VVN-BdA werden! Wer sich informieren will: www.vvn-bayern.de Es hat wahrlich gereicht, was das Bayerische Innenministerium in den letzten Jahren unter „Verfassungsschutz“ verstanden hat: die Ausgrenzung antifaschistischer Organisationen wie AIDA oder VVN-BdA, die Ausgrenzung der Islamischen Gemeinde Penzberg (die sich besondere Verdienste um die Integration erworben hat) – alles unter dem durch nichts belegten Vorwurf, „linksextremistisch“ beeinflusst zu sein. Nun aber geht das Innenministerium im neuesten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2010 einen Schritt weiter, indem es ehemalige Naziverfolgte persönlich diffamiert. Eingerahmt von absurden Behauptungen über den „maßgeblichen … Einfluss von Linksextremisten“ in der VVN und einem „Schulterschluss mit gewaltorientierten autonomen Gruppen“ steht der Satz: „Über den bayerischen Landessprecher der VVN-BdA, Ernst Grube, beispielsweise sind Verbindungen zur DKP und zu autonomen Gruppen bekannt“. Weitere Erläuterungen oder gar Belege werden nicht gegeben – wozu auch, geht es doch den Verfassern nur darum, für unkundige Leser Ernst Grube in die Nähe von sog. „Linksextremisten“ und Gewalt zu rücken. Tatsachen freilich, welche die Absurdität dieser Diffamierungen zeigen würden, werden bewusst verschwiegen: dass Ernst Grube als Kind einer jüdischen Mutter nur mit viel Glück die Deportation ins KZ Theresienstadt überlebt hat; dass Ernst Grube stellvertretender Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau ist und das Vertrauen der noch lebenden Häftlinge genießt; dass er in dieser Funktion seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung vertrauensvoll zusammenarbeitet und von der Landtagspräsidentin wiederholt in den Bayerischen Landtag eingeladen wurde; dass er fast tagtäglich in Schulen willkommen ist, um Jugendliche über die Schrecken der Naziherrschaft aufzuklären; dass er in seiner Heimatstadt München mit der Medaille „München leuchtet“ geehrt wurde. Die Diffamierung betrifft aber nicht nur Ernst Grube, sondern letztlich alle Überlebenden des Naziterrors, die in und mit der VVN-BdA für die Erinnerung und gegen neue Nazipropaganda gewirkt haben und sich bis heute engagieren. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutz-bericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“. Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend. So werden damit beispielsweise auch die KZ-Überlebenden Martin Löwenberg und Hugo Höllenreiner diffamiert, die bis heute unermüdlich unterwegs sind, um gerade Jugendlichen von den faschistischen Verbrechen zu erzählen. Beide sind vielfach geehrt worden, beide werden von Repräsentanten des Freistaats immer wieder zu Gedenkfeiern eingeladen – und gleichzeitig werden sie und ihre Organisation, die VVN-BdA, im Verfassungsschutzbericht als „extremistisch“ ausgegrenzt. Besonders empörend ist dabei, wenn gerade den ehemaligen Überlebenden des Naziterrors heute Gewaltbereitschaft oder die Tolerierung von Gewalt unterstellt wird. Weder im Bund noch in den anderen Bundesländern wird die VVN-BdA im Verfassungsschutzbericht erwähnt – mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Bayern. Hintergrund dieser Ausgrenzung in Bayern ist neben der Pflege des alten antikommunistischen Feindbildes vor allem die Sorge des Bayerischen Innenministeriums, dass auch in Bayern immer mehr Bürgerinnen und Bürger, Initiativen, Kommunen, Gewerkschaften und Kirchen die Aufrufe zur Zivilcourage ernst nehmen und über Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg sich gemeinsam den Neonazi-Provokationen entgegenstellen – bunt, gewaltfrei, aber entschlossen! Der jährliche bayerische Verfassungsschutzbericht wird somit für parteipolitische Zwecke als Propagandainstrument benützt, um theatralisch vor der angeblich übergroßen „linksextremistischen“ Gefahr zu warnen (und die Gefahr durch Neonazis in Bayern immer wieder zu verharmlosen!). Initiativen, die sich dennoch nicht vom gemeinsamen Handeln gegen Neonazis abhalten lassen, wird dann notfalls die finanzielle Förderung gestrichen. Eine lebendige Demokratie braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger, die Grundgesetz und Bayerische Verfassung ernst nehmen und die Demokratie gerade gegen die menschenverachtende Nazipropaganda verteidigen. Dieses Engagement, zu dem die VVN und die noch lebenden Naziverfolgten auch in Bayern ihren Beitrag leisten, sollte gewürdigt, nicht diffamiert werden. Schluss mit der Diffamierung antifaschistischer Organisationen wie VVN und AIDA durch den Bayerischen Verfassungsschutzbericht !