„Fragt uns, wir sind die Letzten!“

8. Mai 2014

Zeitzeugengespräch mit Ernst Grube im Rahmen der Stadtteilwoche Laim

Dienstag, 1. Juli 2014 um 17:30 bis 19:00 Uhr im Geschichts- und Literaturzelt am Festplatz Grünanlage an der St. Veit-Straße Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! – Lebenslanges Leitmotiv für Ernst Grube, seit er 1945 als 12-Jähriger aus dem Konzentrationslager Theresienstadt nach München zurückkehrte. Als Kind erlebte er die Ausgrenzung und Entrechtung der Juden. Nach der Vertreibung der Familie aus der elterlichen Wohnung fanden die Kinder Zuflucht im Jüdischen Kinderheim Antonienstraße. Nach dessen Schließung erlebte er, zusammen mit seiner jüdischen Mutter und seinen Geschwistern Werner und Ruth, das Judenlager Milbertshofen und das Judenlager Berg am Laim (Clemens-August-Str. 9) als Vorstufen der Deportation. Wie war das damals? Und was hat das mit uns heute zu tun? Darüber spricht Ernst Grube mit seinen Zuhörern. Diese Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) findet im Rahmen der Stadtteilwoche Berg am Laim 2014 statt, die vom Kulturreferat der LH München durchgeführt wird.

Befreiungsfeier Dachau

12. April 2014

4. Mai 2014 9.30 Uhr: Gottesdienst 9.45 Uhr: Gedenkfeier LV der Israelitischen KG 10.45 Uhr: Gedenkveranstaltung des Comité International de Dachau 13.00 Uhr: Gedenkstunde am ehemaligen „Schießplatz Hebertshausen“ Flyer: Befreiungsfeier Dachau 2014 Friedensweg Hebertshausen 2014

Der „Charakter der Ordnung“

3. April 2014

Aufschlussreiches zur Polizei in der NS-„Hauptstadt-der Bewegung“ Wer sich Gedanken macht über das Verhalten von Polizei und Geheimdiensten gegenüber Faschisten und Antifaschisten heute, kommt nicht umhin, sich auch mit den Traditionen deutscher „Sicherheitsorgane“ zu befassen. Recherchen eines Arbeitskreises von Polizeibeamten und wissenschaftlichen Mitarbeitern des künftigen Münchner NS-Dokumentationszentrums zum Thema „Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus“ sind hier hilfreich. Erforscht wurde unter Leitung des Historikers Dr. Joachim Schröder, wie wichtige Teile der Münchner Polizei sich gegenüber dem Aufstieg der faschistischen Bewegung und den Nazis an der Macht verhalten haben. Ausdrücklich ausgespart blieb die Geheime Staatspolizei, die aus der Bayerischen Politischen Polizei hervorgegangen war. Viele Gestapo-Größen wie z.B. Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Heinrich Müller u.a. bewiesen in München ihre Brauchbarkeit, bevor sie in Spitzenpositionen nach Berlin gerufen wurden. Die Gestapo unterstand jedoch nicht mehr dem Münchner Präsidium. Aber auch über die „normale“ Polizei kamen unbequeme Wahrheiten zutage. „Was wussten wir schon über die nationalsozialistische Vergangenheit des Polizeipräsidiums München, was erwarteten wir zu erfahren?“ fragt Kriminalhauptkommissar Fabian Frese in einem Artikel auf der Website des Dokumentationszentrums, in dem er den Arbeitskreis vorstellt. „War uns klar, dass geschlossene Einheiten der Münchner Polizei an Kriegsverbrechen, an der massenhaften Ermordung von Zivilisten beteiligt waren? Überraschte uns, dass Transporte in die Vernichtungslager durch Münchner Schutzpolizisten begleitet wurden, Münchner Polizisten sogar in KZ-Mannschaften waren?“ Das Bild der Polizei sei, so Frese, geprägt gewesen von „den frühen Entscheidungen in den Nürnberger Prozessen: Gestapo und SS waren als verbrecherische Organisationen gebrandmarkt – die Polizei nicht“. Lange habe sich der Mythos gehalten, Schutz- und Kriminalpolizei seien „sauber geblieben“. Für die Dauerhaftigkeit der Legende von der „unpolitischen“, „sauberen“ Polizei sei der Einfluss von „Tatbeteiligte(n) und Anstifter(n)“ entscheidend gewesen, die ihre Laufbahnen nach 1945 unbehelligt fortsetzen konnten. Das Buch informiert über die Vorgeschichte in der Weimarer Republik: über antidemokratische Tendenzen aus der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs und der Niederschlagung der Räterepublik, über Schutz und Unterstützung, die Freikorps, Kapp-Putschisten und Fememörder genossen, über die frühe Existenz nationalsozialistischer Zellen in der Polizei und über die Großzügigkeit, mit der die Polizeiführung diese „im völkischen Lager stehenden wertvollen Kräfte der vaterländischen Bewegung“ gewähren ließ. Und auch über Gegensätzliches: Während Wilhelm Frick, Leiter der Politischen Abteilung der Münchner Polizei, mit den Putschisten des 9. November 1923 kooperierte, schlug die Landespolizei den Putschversuch nieder. Der zweite Abschnitt behandelt die Jahre 1933 bis 1945, den Umbau der Polizei zum Terrorapparat, ihre Rolle bei der Verfolgung verschiedener Opfergruppen im Reich und in den besetzten Ländern, die Beteiligung an Kriegsverbrechen und am Holocaust. Auch nach Handlungsspielräumen wird gefragt. Bei der Suche nach „wirklich mutigem, abweichendem Verhalten“ kamen lediglich drei Fälle zutage. Im Abschnitt „Neue Polizei – neues Denken?“ geht es um Kontinuitäten nach 1945. Eine „fortgesetzte Kriminalisierung von Sinti und Roma und Homosexuellen“ wird festgestellt, altgediente Kommunistenhasser konnten wählen, ob sie ihre Karriere bei der Polizei, beim Verfassungsschutz oder beim Bundesnachrichtendienst fortsetzen wollen. Viele hohe Funktionäre des NS-Regimes wurden bei der „Entnazifizierung“ als „Mitläufer“ eingestuft. Zur Veränderung, die die faschistische Macht für die Polizei mit sich brachte, ist zu lesen: „Alle Polizeisparten … überwachten und vollstreckten die Gesetze und Verordnungen, die die damalige Regierung erließ. Dies unterschied sie nicht von der heutigen Polizei oder derjenigen der Weimarer Republik. Geändert hatte sich nunmehr der Charakter der Ordnung, die die Polizei unter dem NS-Regime aufrecht zu erhalten hatte…: Sie schützte nicht mehr die Rechte des Individuums vor Übergriffen anderer (auch des Staates). Geschützt wurde nur noch die nationalsozialistische ‚Volksgemeinschaft‘, die nach politischen, ‚rassischen‘ und sozialen Kriterien Menschen in diese Gemeinschaft ein- und aus ihr ausschloss.“ Solche Sätze regen dazu an, über den „Charakter“ zu schützender Ordnungen nachzudenken – und darüber, was es bedeutet, wenn es heute offenbar in Polizei und Geheimdiensten wieder Tendenzen gibt, dem Treiben von Nazis nachsichtig, wenn nicht gar positiv gegenüber zu stehen, und dies durch vorgesetzte Stellen geduldet wird. Im Vorwort bemüht dagegen Bayerns Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer mit „Extremismus“-Warnungen das alte Rechts-gleich-Links-Schema. Das Buch gibt das an keiner Stelle her. Renate Hennecke

Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus

3. April 2014

Ausstellung 24. April bis 15. Mai 2014, 8 – 23 Uhr. Eintritt frei. Gasteig (1. Stock), Rosenheimer Str. 5, 81667 München Führungen Kostenlose Führungen finden statt am 25. April, 16 Uhr 8.Mai, 18 Uhr 26. April, 11 Uhr 10. Mai, 11 Uhr 29. April, 18 Uhr 13. Mai, 18 Uhr 3. Mai, 11 Uhr 14. Mai, 18 Uhr 6. Mai, 18 Uhr 15. Mai, 16 Uhr Anmeldung und Terminvereinbarungen für Gruppen unter (089) 233-24434 oder thomas.rink@muenchen.de VortragsreiheEinstellung zum demokratischen Staat – Bedenkenfrei“ Personelle NS-Kontinuitäten in bayerischen Polizeibehörden nach 1945 24. April, 19 Uhr, Vortragssaal der Münchner Stadtbibliothek Dr. Joachim Schröder, Historiker, Kurator der Ausstellung Partisanenbekämpfung durch die Polizei – Der Höhere SS- und Polizeiführer „Alpenland“ 1941 – 1945 30. April, 19 Uhr, Vortragssaal der Münchner Stadtbibliothek Marcus Schreiner-Bozic, Kriminalhauptmeister, Arbeitskreis „Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus“Polizeivollzugsdienst in einer Großstadt der Zukunft“ Einsatzfelder und -praktiken der Münchner Polizei in der frühen Bundesrepublik 7. Mai, 19 Uhr, Vortragssaal der Münchner Stadtbibliothek Michael Sturm, Historiker, Geschichtsort Villa ten Hompel, Münster Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus – Bilanz undf Ausblick 15. Mai, 19 Uhr, Bibliothek

Prof. Dr. Peter Longerich, Historiker, Royal Holloway, University of London

Gedenkveranstaltung anlässlich der Eröffnung des neu gestalteten Gedenkortes „Ehemaliger SS-Schießplatz Hebertshausen“

2. April 2014

Freitag 2. Mai 2014, 11 Uhr am ehemaligen SS-Schießplatz, Freisinger Str. 175, Hebertshausen Es sprechen: Dr. Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau Karl Preller, MdL, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten ein Mitglied der bayerischen Staatsregierung Wladimir M. Grinin, Botschafter der Russischen Föderation Andrei Giro, Botschafter der Republik Belarus Pavlo Klimkin, Botschafter der Republik Ukraine Dr. h.c. Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau e.V. und Vizepräsident des Comite International de Dachau Benjamin Temkin, Angehöriger eines Opfers. Musikalische Umrahmung durch das Orchester Jakobsplatz München. Für Besucher steht am 2. Mai ein Shuttle-Bus bereit. Hinfahrt: 10:05 Uhr ab S-Bahnhof Dachau, 10:20 Uhr ab Bushaltestelle am Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte. Rückfahrt: 13:30 Uhr ab Gedenkort. Interview zu Hebertshausen. Informationen der LG Dachau 42-2013

TV-porträt über Ernst Grube im Sender Br-alpha

15. März 2014

Unter dem Titel »Ernst Grube: Opfer des NS-Regimes« war auf dem bayerischen Fernseh-Bildungskanal BR-alpha im Januar ein ausführliches Porträt des Münchner Theresienstadt-Überlebenden und bis heute in vielen regionalen und überregionalen Organisationen, Gremien und Initiativen aktiven VVN-Gründungsmitglieds Ernst Grube zu sehen. Das Gespräch mit Sybille Kraft fand in der Reihe »alpha-Forum« statt. Zu diesem Sendeformat merkt der BR an: »Im alpha-Forum kommen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, Religion und Kultur in 45 Minuten ausführlich zu Wort. In hintergründigen Zwiegesprächen entstehen Porträts der Interviewten, in denen genügend Zeit für Details und Nuancen bleibt. Nicht das kurze, mediengerechte Zitat, sondern der Lebensweg des Gesprächspartners mit all seinen Erfolgen und Rückschlägen steht im Mittelpunkt von alpha-Forum.« Zwar zeigte sich im Verlauf des Gespräches, das Sybille Kraft – selbst als Autorin und Filmemacherin seit langem unterwegs in Themenfeldern, die mit der NS-Zeit, mit Verfolgung und Widerstand zu tun haben – kenntnisreich und einfühlsam moderierte, dass der Befragte gerne noch mehr Zeit für »Details und Nuancen« gehabt hätte. Aber auch so beeindruckt das Porträt nicht zuletzt durch die Fülle der angesprochenen Themen: Von der als Kind erlebten Judenverfolgung in München über Deportation und Lager bis hin zu Hoffnungen und Enttäuschungen in den Jahrzehnten nach der Befreiung. Strafverfolgungen wegen gewerkschaftlicher und kommunistischer Aktivitäten in der Adenauer-Zeit und ganz aktuelle Nachstellungen und Diffamierungen durch »Verfassungsschutz«-Organe inklusive. (hier anzusehen im Internet) antifa März/April 2014 Länderseiten

Abschied von Hans Taschner

15. März 2014

Am 11. Dezember 2013 ist unser Kamerad Hans Taschner im Alter von 102 Jahren verstorben. So lange es seine Kräfte zuließen, war er, auch nachdem er das hundertste Lebensjahr schon überschritten hatte , noch dabei bei Gedenkfeiern und Veranstaltungen, die an die Opfer des NS-Regimes erinnerten und die das »Nie wieder!« der KZ-Überlebenden an jüngere Generationen weiterzugeben versuchten. Bis zu seinem Lebensende war er Mitglied des Präsidiums der Lagergemeinschaft Dachau.

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Hans Taschner entstammte einem Elternhaus, das schon früh im sozialdemokratischen Umfeld engagiert war. Sein Vater gehörte zu den Gründern des Konsumvereins, die Eltern leiteten zeitweise eine Filiale dieser Lebensmittelversorgungsgenossenschaft. Mit 16 Jahren beginnt Hans, sich selbst politisch zu engagieren. In den Jahren vor 1933 gehört er zum Umfeld des ISK, des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes. Schon früh warnt diese eher kleine Gruppe, die aber in München vor allem bei vielen jungen Gewerkschaftern Resonanz findet, vor dem heraufziehenden Faschismus und setzt sich ein für einen parteiübergreifenden Widerstand gegen diese drohende Gefahr. Bei der Machtübernahme der Nazis ist Hans Taschner als damals bei der »Arbeiterwohlfahrt« Beschäftigter ohnehin gefährdet. Eine Denunziation aus der Nachbarschaft bringt ihn schließlich ins Gefängnis und anschließend für vier Jahre ins Konzentrationslager Dachau. Dort muss er anfangs in der Kiesgrube schuften, wird unter anderem im gefürchteten »Bunker«, dem Zellentrakt des Lagers, eingesperrt und von den Nazischergen gefoltert. 1939 gehört er zu den 500 Häftlingen, die aus Anlass von »Führers Geburtstag« überraschend freigelassen werden, kurz danach wird er eingezogen und in den Krieg nach Russland geschickt. Nachdem Hans Taschner Faschismus und Krieg überlebt hat, kommt er zurück nach Bayern und hält von seinem zur Gemeinde Inning gehörenden Wohnsitz zwischen Ammersee und Wörthsee aus Kontakt zu den Genossen und Kameraden von früher. Ehemalige ISKler aus München wie Ludwig Linsert und Ludwig Koch engagieren sich nach den Jahren der Verfolgung parteipolitisch in der SPD, sehen ihren Arbeitsschwerpunkt aber vor allem im Aufbau und der Neuorganisation der bayerischen Gewerkschaften. Ihnen bleibt Hans politisch und persönlich besonders verbunden, auch wenn er eine Selbständigenlaufbahn einschlägt und schließlich selbst eine kleine Firma sein eigen nennt. Mit 70 Jahren setzt er sich schließlich beruflich zur Ruhe, bleibt politisch aber weiterhin hellwach und engagiert auf vielen Ebenen. Als Zeitzeuge, auch bei zahlreichen Veranstaltungen und Seminaren der VVN-BdA, aber auch im hohen Alter noch bei öffentlichen Kundgebungen, wenn es gilt, Neonazi-Aufmärschen entgegenzutreten.

(Aus Antifa 3-4/2014)

Der Hauptbahnhof München als Ort freiwilliger und erzwungener Migration

13. März 2014

Refrentin: Lili Schlumberger-Dogu 10.00 bis ca. 11.30 Uhr Treffpunkt: Hauptbahnhof, Infotafel

Olga Benario (1908-1942) und ihr Kampf gegen den Faschismus

26. Februar 2014

Weiterlesen   –  Olga Benario zum 100. Geburtstag

Bayern extrem

geschrieben von Renate Hennecke

22. September 2011

aus: ossietzky, Heft 19/2011 vom 17.9.2011 Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) denkt hin und wieder öffentlich über ein Verbot der neofaschistischen NPD nach, aber er will nicht auf NPD-Aktivisten als bezahlte V-Leute verzichten – und verhindert damit die Eröffnung eines neuen Verbotsverfahrens. Dabei heißt es in der bayerischen Verfassung klipp und klar: „Rassen- und Völkerhaß zu entfachen ist verboten und strafbar.“ Wenn Ernst Grube das Verbot der NPD fordert, ist es ihm bitterernst. Im Dezember 1932 in München, der „Hauptstadt der NS-Bewegung“, als Sohn einer jüdischen Mutter und eines christlichen Vaters geboren, erlebte er als Fünfjähriger die Zerstörung der Münchner Hauptsynagoge und die Vertreibung aus der elterlichen Wohnung. Im Jüdischen Kinderheim an der Antonienstraße fanden er und seine Geschwister Werner und Ruth liebevolle Betreuung. Aber wie sollten die Kinder es verkraften, daß die Familie auseinandergerissen war, daß sie nicht mehr zur Schule gehen durften, daß sie auf der Straße als „Saujuden“ beschimpft und bespuckt wurden, daß immer wieder Freunde und Spielkameraden plötzlich verschwanden – deportiert ins Ungewisse, aus dem sie nicht mehr zurückkehren sollten? Im April 1942 wurde das Kinderheim aufgelöst, Kinder und Betreuerinnen auf verschiedene Sammel- und Deportationslager verteilt. Nach mehreren Aufenthalten in derartigen Lagern gelangt Ernst Grube noch im Februar 1945 zusammen mit Mutter und Geschwistern in das KZ Theresienstadt im besetzten Böhmen. Im April werden sie dort von der Roten Armee befreit. Ernst ist jetzt zwölf Jahre alt. Was er erlebt hat, wird er nie vergessen. Aber: „Erinnerung allein tut’s nicht.“ Nach diesem Motto engagiert sich der mittlerweile 78-Jährige bis heute unermüdlich, um mitzuhelfen, daß „so etwas“ nie wieder geschehen kann: als Zeitzeuge in Schulen und Kirchen, bei Bildungsveranstaltungen und auf Kundgebungen gegen Neonazi-Aufmärsche, als Mitglied des „Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau“, als stellvertretender Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau e.V. und, nicht zuletzt, im Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Die Stadt München hat Grube mit der Medaille „München leuchtet“ geehrt. Der Freistaat Bayern aber warnt Lehrer und Schüler vor dem Zeitzeugen. Am 23. August ließ Innenminister Herrmann ein Internetportal mit dem Titel „Bayern gegen Linksextremismus“ freischalten. Konzipiert wurde es in Herrmanns Auftrag von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (deren Chef an demselben 23. August wegen Mißwirtschaft seinen Hut nehmen mußte) und dem Landesamt für Verfassungsschutz (das sich seit einiger Zeit für politische Bildungsarbeit in Bayern zuständig fühlt). In dem Portal wird die VVN-BdA als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflußte“ Organisation dargestellt und Ernst Grube als Vermittler dieses Einflusses genannt. Grube ist DKP-Mitglied, also für Herrmann ein böser „Linksextremist“. Sein antifaschistisches Engagement ist nach der Darstellung im Portal nur Fassade, nur ein hinterhältiger Trick. Herrmanns Beauftragte für politische Bildung in Bayern: „Das Aktionsfeld Anti-Faschismus ist traditionell ein Schwerpunkt linksextremistischer Aktivitäten. Den breiten gesellschaftlichen Konsens gegen den Rechtsextremismus nutzen die Linksextremisten, um von Demokraten als Partner akzeptiert zu werden und ihre politischen Ziele zu verfolgen.“ Ziele, wie sie der Phantasie von Herrmann und Co. entspringen: „Diese Ziele reichen weit über die Ablehnung von Rassismus und Rechtsextremismus hinaus: Linksextremistischer Anti-Faschismus steht für eine Haltung grundsätzlicher Ablehnung von Kapitalismus, Parlamentarismus und Rechtsstaat. Demokratischen Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland wird unterstellt, daß sie sich unausweichlich in Richtung eines neuen Faschismus entwickeln werden.“ Die VVN-BdA vertritt keine derartigen Ziele und hat sie nie vertreten. Sie ist überparteilich und überkonfessionell. In ihr haben Menschen mit ganz verschiedenen politischen, religiösen und weltanschaulichen Auffassungen ihren Platz, darunter selbstverständlich auch Sozialisten und Kommunisten. Wie könnte das in einer Vereinigung von NS-Verfolgten anders sein? Für die VVN maßgeblich blieben auch nach ihrer Öffnung für nicht selbst verfolgte Antifaschisten nach wie vor die gemeinsamen Ziele, die in der Satzung festgelegt sind. Dort heißt es: „Die Vereinigung entfaltet ihre Tätigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie tritt ein für die Verwirklichung der antifaschistisch-demokratischen Grundbestimmungen des Grundgesetzes und der Länderverfassungen. Sie stellt sich jedem Versuch entgegen, diese Bestimmungen auszuhöhlen.“ Das Internetportal „Bayern gegen Linksextremismus“ hat ein Pendant mit dem Titel „Bayern gegen Rechtsextremismus“. Dahinter steht das politische Konzept der sogenannten Extremismustheorie, die sich auf angebliche Erfahrungen vom Ende der Weimarer Republik beruft. Das Deutsche Historische Museum in Berlin beispielsweise vermittelt folgende Sicht: „Die demokratischen Stimmen der Vernunft gingen 1932/33 im Getöse der ‚Rot-Front’- und ‚Sieg-Heil’-Rufe unter. … Den ‚Heilsversprechungen’ der extremen Parteien von einem ‚Dritten Reich’ und einem ‚Sowjet-Deutschland’ konnte die demokratische Mitte nichts mehr entgegensetzen. … Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war das Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 besiegelt.“ Als wäre Hitler von unten, von der „Straße“, von den „extremen Rändern“ an die Macht gebracht worden. Als wäre die „Mitte“ dem wehrlos ausgeliefert gewesen. Und als hätte „oben“ gar keine Rolle gespielt. Die historischen Fakten sprechen eine andere Sprache. Es war nicht etwa die revolutionäre deutsche Arbeiterbewegung, die in den Jahren zuvor den Parlamentarismus immer mehr außer Kraft gesetzt, mittels „Notverordnungen“ den Reichtum der Reichen gesichert und den Volksmassen ihre Not verordnet hatte. Nicht etwa „die da unten“, sondern Großunternehmer wie Thyssen und Krupp hatten den Aufstieg der NSDAP finanziert. Demgegenüber hatten nicht die bürgerlichen Parteien, sondern die KPD gewarnt: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ Und es war nicht der Kommunistenführer Thälmann gewesen, sondern der Kandidat der „demokratischen Mitte“, Reichsfeldmarschall Paul von Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler ernannte. Für die Obrigkeit hat die Extremismus-Doktrin den Vorteil, daß sich damit undemokratische Maßnahmen als notwendig für den Erhalt der Demokratie verkaufen lassen („wehrhafte Demokratie“). Sie hat auch den Vorteil, daß man jede Kritik als unzulässig abwimmeln kann, indem man die Kritiker als „Extremisten“ abstempelt. So zum Beispiel die Kritik an Behörden und Gerichten, wenn sie neofaschistische Hetze dulden und den Artikel 119 der bayerischen Verfassung nicht umsetzen: „Rassen- und Völkerhaß zu entfachen ist verboten und strafbar.“ Solche Kritik ist, wie die bayerischen Behörden im Internet verkünden, Ausdruck eines „linksextremistisch geprägten Anti-Faschismus-Verständnisses: „Die VVN-BdA-Kreisvereinigung München verdeutlicht in einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Stellungnahme, daß sie die Allgemeingültigkeit von Rechts- und Verfassungsgrundsätzen in Frage stellt; Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sollen für Rechtsextremisten nicht gelten. So spricht der Text des Internetbeitrags von einem ‚angebliche(n) Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit’. Politik und Gerichten wird damit gleichsam vorgeworfen, Unrecht zur Durchsetzung zu verhelfen. Daran wird das linksextremistisch geprägte Anti-Faschismus-Verständnis der VVN-BdA München deutlich.“ Wohin man mit der Extremismusdoktrin gerät, zeigt ein Aufsatz der baden-württembergischen Verfassungsschützerin Bettina Blank über die VVN-BdA im Zentralorgan der Extremismusforscher „Jahrbuch Extremismus und Demokratie“ (Nr. 22/2010). Schamlos erklärt Blank den Schwur, den die Überlebenden des KZ Buchenwald im Gedenken an ihre zu Tausenden ermordeten Kameraden ablegten, zum kommunistischen Propagandamanöver mit Instrumentalisierung ahnungsloser „Beteiligter“. Blank: „Das ‚Erbe des antifaschistischen Widerstandes’ konkretisiert sich für die VVN-BdA im ‚Schwur von Buchenwald’, auf den sie sich ebenfalls in ihrer Satzung, aber auch bei vielen anderen Gelegenheiten unter der Losung ‚Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg’ immer wieder beruft. Für die damals Beteiligten nicht unbedingt erkennbar, war der am 19. April 1945 auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald abgelegte Schwur eine Inszenierung des kommunistisch dominierten ‚Internationalen Lagerkomitees’. Die VVN-BdA stellt sich damit in die Tradition des kommunistischen Widerstandes.“ Die Passagen über die VVN-BdA im Extremismus-Portal des bayerischen Innenministeriums sind dem Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2010 entnommen. Aufgrund dieser Nennung wurde dem Landesverband vom Finanzamt die Anerkennung als gemeinnütziger Verein entzogen. Gleichzeitig bedroht das Bundesfamilienministerium alle potenziellen Kooperationspartner der VVN-BdA mit dem Entzug von Mitteln aus den Förderprogrammen gegen Rechtsextremismus (Erlaß der Ministerin Kristine Schröder). Die VVN-BdA soll ausgegrenzt und isoliert werden. Der Landesverband Bayern der VVN-BdA hat gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht Klage eingereicht. Wie immer aber die Gerichte entscheiden werden, für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten bleibt der Schwur von Buchenwald Leitmotiv und Verpflichtung: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

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